Haltung

Geschichten aus dem Kaninchendarm Teil 4

Nahrhafte Pillen aus mikrobieller Fabrikation
 
Der Blinddarmkot oder Weichkot ist ein Konzentratfutter, reich an Eiweiss und an Vitaminen. Hier hat die Natur –lange vor der Pharmaindustrie- die magensaftresistente Pille erfunden.
 

Unsere Karotte, die nach dem Blinddarmdurchgang fast nur noch aus einem Faserrest besteht, ist nun beim Ausgang des Blinddarms. Er mündet hier in den Kolon (Grimmdarm), wo die Weiche gestellt wird zwischen Abfall, der als Köttel endgültig ausgeschieden wird und Brauchbarem, das die Verdauung nochmals durchlaufen soll. Diese Schlüsselstelle hat die Kolonspindel inne. Das ist ein 5 bis 8 cm langer Abschnitt des Kolon mit kräftiger Muskulatur und ausgekleidet mit einer dicken Schleimhautschicht. Dieser Darmabschnitt ist mit vielen Nerven versehen und kann somit verschiedene Bewegungen ausführen. Je nach Darmbewegung werden Köttel produziert oder nahrhafte Weichkotpillen.

 Der glänzende und weiche Blinddarmkot enthält leichtverdauliches
Eiweiss und Vitamin B und K. Die trocken Köttel hingegen
enthalten Fasern ohne Nährwert.

Die Ironie der Kaninchenverdauung liegt darin, dass Nahrungsfasern für den Transport durch den Darm unbedingt nötig sind, diese gleichzeitig aber Ballast für das Fluchttier bedeuten. Aus diesem Grund werden sie schnellstmöglich als Köttel wieder ausgeschieden.

 Blinddarmkot unter dem Mikroskop ist für eine Überraschung gut:
Es wimmelt von Mikroorganismen, die grossen sind Einzeller, die kleinen Bakterien.

In der Köttel-Phase zieht sich der Blinddarm zusammen und presst den Grossteil seines Inhaltes in den Grimmdarm, wo eine Trennung nach flüssigen und grösseren, festen Partikeln geschieht. Die grössere Teilchen werden rasch weitertransportiert, während sich Flüssigkeit und kleine Partikel in Ausstülpungen des Darmwand sammeln, von wo sie eine gegenläufige Bewegung zurück in den Blinddarm befördert. Die grossen Teilchen wandern weiter, sie werden von der Kolonspindel hart zusammengepresst, so dass das kostbare, wieder verwendbare Wasser entzogen werden kann. Schliesslich werden sie als feste, trockene Köttel ausgeschieden.

 

Zusammensetzung von Hartkot (Köttel) und Weichkot

Inhaltsstoffe (%)
Hartkot
Weichkot
Trockensubstanz
52,7
38,6
Mineralstoffe
13,7
15,2
Rohfaser
30,0
17,8
Roheiweiss
15,4
25,7
Zellwandbestandteile
78,1
45,1
Zellulose
35,8
20,3

In der Weichkot-Phase zieht sich der Blinddarm ebenfalls zusammen und schiebt eine weiche, dunkelgrüne Paste, bestehend aus halbverdauten Bestandteilen und Mikroorganismen, in den Kolon. Es finden keine heftigen Darmbewegungen statt, die eine Auftrennung der Paste bewirken würde. Auch die Kolonspindel fasst den Weichkot mit Samthandschuhen an und formt nur sanft kleine Kügelchen. Im Darm unterhalb der Kolonspindel wird die Paste rasch und ohne Wasserentzug weitertransportiert. Schleim aus speziellen Zellen überzieht den Weichkot. Mehrere Weichkotkügelchen hängen traubenförmig zusammen und werden vom Kaninchen direkt vom After geschluckt. Der Schleimüberzug bewirkt, dass die Weichkotkügelchen nicht im stark sauren Milieu des Magens aufgelöst werden. Im Gegenteil, die Mikroorganismen im Weichkot sind lebendig und beeinflussen ihrerseits den Magen: ihre Stoffwechseltätigkeit und die daraus entstehenden Produkte heben den Säurewert im Magen vorübergehend etwas an! 

 

Die Nervensteuerung dieses wichtigen Darmabschnittes läuft über das vegetative Nervensystem und reagiert deshalb empfindlich auf Stress. Operationen, Futterwechsel oder erhöhter Adrenalingehalt (Adrenalin ist ein Stresshormon) hemmen die Darmbewegung und können zu abnorm geformtem Blinddarmkot führen. Faserreiches Futter ist wichtig für die Bildung von Blinddarmkot. Eiweissarmes Futter führt dazu, dass das Kaninchen mehr Weichkot aufnimmt, damit sein Bedarf gedeckt wird. Eine eiweissreiche, faserarme Diät verringert hingegen die Aufnahme.
 
Unsere Karotte hat die Reise durch den Kaninchendarm vollendet. Teile von ihr werden jedoch via Weichkot noch ein- oder sogar mehrmals den Verdauungstrakt durchlaufen.
 
Text und Bilder: Ursula Glauser
 
 
 

Die Köttel enthüllen auch unter dem Mikroskop keine
weiteren Geheimnisse: Man findet zahlreiche Pflanzenreste,
auch Zellwandtrümmer unserer Karotte.

 

Kaninchenverdauung 4. Teil