Ernährung der Meerschweinchen, Teil 1

Ernährung der Meerschweinchen, Teil 1
(Zusammenfassung eines Vortrages von Marcus Clauss, Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere)
 
Meerschweinchen sind Pflanzenfresser. Sie ernähren sich von Gräsern (im Gegensatz zu andern Nagern wie den Hamstern, die Körnerfresser sind).

Ihr natürlicher Lebensraum ist eine karge Landschaft wo es wenig Nahrung gibt.
Ein Meerschweinchen ist deshalb den ganzen Tag am Fressen – es nimmt etwa 70 kleine Mahlzeiten zu sich. Es hat einen Magen mit wenig Muskulatur. Die Nahrung passiert das Verdauungssystem sehr langsam und braucht 4 bis 5 Tage bis zur Ausscheidung.

Grünzeug im Winter – Salat statt Gras...

 

Ein Meerschweinchen, das in sehr karger Landschaft heimisch ist und sich vor allem von Gräsern ernährt, wählt gern das Futter aus, das sehr energiereich ist. Wenn wir es in Gefangenschaft halten, tut es das gleiche, obwohl ihm da kaum je Hunger droht. Wir dürfen uns deshalb nicht darauf verlassen, dass das Meerschweinchen nur isst, was ihm gut tut, sondern wir müssen seine Auswahlmöglichkeiten auf geeignete Nahrung einschränken.

 Wenns frisches Heu gibt kommen sie aus allen Richtungen...

Um Pflanzenfasern verdauen zu können, benötigen Tiere spezielle Darmbakterien. Beim Meerschweinchen befinden sich diese vorwiegend im besonders gross ausgeprägten Blinddarm.
Leichtverdauliche Substanzen wie Zucker, Stärke, Protein und Fett werden im Dünndarm verdaut. Die Fasern gelangen in den Blinddarm, wo sie von Bakterien fermentiert werden. Die Verdauungsprodukte der Bakterien können vom Blinddarm aufgenommen werden – die hier wachsenden Bakterien selbst, die wertvolles Protein darstellen, jedoch nicht. Damit dieses Bakterienprotein nicht verloren geht, nimmt das Meerschweinchen den Blinddarmkot nochmals auf. 
 

Was geschieht nun, wenn ein Meerschweinchen zu energiereiche Nahrung (zu viel Stärke, leichtverdauliche Nährstoffe) zu sich nimmt?
Wenn dies nur in geringem Masse geschieht, wird das Tier einfach zu fett, bekommt Probleme mit dem Kreislauf und sehr oft auch mit den Füssen (Ballenabszesse etc.).
Wenn der Nährstoffüberschuss sehr gross ist, kann nicht alle Stärke im Dünndarm verdaut werden, und gelangt in den Blinddarm. Dort kippt die Darmflora, das Milieu wird sauer. Die faserverdauenden Bakterien sterben, und andere unerwünschte Bakterien nehmen überhand (E. coli und Clostridien zum Beispiel). Dies kann Durchfall oder auch Verstopfung zur Folge haben. 

Zusätzlich führt die Aufnahme von viel stärkehaltiger Nahrung dazu, dass das Meerschweinchen weniger Heu frisst. Dies hat weitere negative Folgen, unter anderem sehr oft Zahnprobleme. Meerschweinchen haben wurzeloffene Zahnkanäle, das heisst, dass die Zähne zeitlebens wachsen. Dies gilt nicht nur für die vorderen Schneidezähne, sondern auch für die Backenzähne. Das Zahnwachstum eines Meerschweinchens beträgt fast 2 mm pro Woche.

Hier sieht man den Unterschied zwischen Heu (links, grobe Halme) und Emd (rechts, sehr fein).

Handelsübliches „Kleintierheu“ aus der Zoohandlung oder vom Grossverteiler. Als Leckerei zwischendurch sicher gut, als tägliches Raufutter aber zu fein.

Der Zahnabrieb findet nicht in erster Linie an harten Materialien statt, sondern an den gegenüberliegenden Zähnen. Es ist deshalb nicht entscheidend, wie hart die aufgenommene Nahrung ist, sondern wie viel Futter aufgenommen wird und wie lange es gekaut werden muss. An 1 g Pellet kaut ein Meerschweinchen etwa 5 min, an 1 g Heu 8 bis 14 min!
Für den Abrieb der vorderen Zähne eignet sich Holz am besten: Frische Äste sind sehr beliebt.
Nagesteine oder hartes Brot sind ungeeignet. Erstere enthalten meist zu viel Kalzium, das Brot ist viel zu stärke- und zuckerhaltig.

Ein weiteres Problem bei Rohfasermangel sind Haarballen im Magen. Ob die Tiere aus Langeweile und Mangel an Strukturstoffen vermehrt Haare fressen, oder ob die Haare häufiger Ballen bilden im Magen, wenn wenig Nahrungsfasern mitverdaut werden, ist unklar. Jedenfalls wurde in Experimenten gezeigt, dass Meerschweinchen, die kein Heu angeboten bekommen, sondern nur pelletiertes Futter, deutlich mehr Haare in ihrem Magen haben als solche, die Heu bekommen.

 
So ein grosser Haufen Heu zum Hälmlein zupfen und aussuchen ist doch lecker!
Futter für Meerschweinchen soll also faserreich und energiearm sein.
Dies ist auch bei der Auswahl des Heus zu beachten. Meerschweinchen sollen faserreiches Heu fressen, nicht eiweissreiches Emd vom zweiten Schnitt. Leider sieht Emd sehr viel schöner aus als Heu, es ist nämlich dunkelgrün und fein und duftet sehr oft auch intensiver. Wenn wir also im Laden Heu kaufen, sticht uns eher der zweite, nicht so geeignete Schnitt ins Auge als das eher bräunliche Heu vom ersten Schnitt, das viele grobe Halme enthält.
Und leider wählen auch die Meerschweinchen (ebenso wie die Menschen) nicht unbedingt das Gesunde aus, wenn man sie aussuchen lässt...
 
 
Text und Bilder: Priska Küng
Ernährung 1. Teil